„Internationales Recht ist das, was der Übeltäter missachtet, während der Rechtschaffene ablehnt, es mit Gewalt durchzusetzen.“ (Leon Uris, amerikanischer Schriftsteller)
Die transatlantischen Spannungen zwischen den USA und Europa gehen tiefer als der Irakkrieg. Im Wettstreit befinden sich vielmehr zwei Weltbilder. Das ist auch für die Abstimmung über Schengen/Dublin nicht ohne Bedeutung. Europa denkt in der Vorstellung des deutschen Philosophen Immanuel Kant, dass sich die verschiedenen Interessen der Nationen mit genügend Diplomatie auf einen Nenner bringen lassen. Ziel ist ein vereinigtes Europa auf dem Weg „zum ewigen Frieden“.
Die USA dagegen sehen Weltpolitik als einen Wettkampf der Nationalstaaten an, bei dem Macht das entscheidende Kriterium ist. Die internationale Politik ist nicht geregelt. Es herrscht – wie der englische Philosoph Thomas Hobbes es für die Menschen beschrieb – ein Naturzustand.
Gewiss. Europas Denktradition ist beschaulicher, schöner, hoffnungsvoller. Die Realität sieht aber anders aus. Bereits dreimal ist der Versuch gescheitert, auf internationaler Ebene eine Gemeinschaft zu erstellen, Regeln zu formulieren, wie die Macht gebändigt werden soll: Erst scheiterte der Völkerbund kläglich, dann musste sich die UNO in das – durch Nationalstaaten geprägte – System des kalten Krieges einordnen. Zuletzt offenbarte die UNO im Irakkrieg ihre tatsächliche Unfähigkeit, die Weltpolitik zu beeinflussen.
Die EU andererseits – dieses oft gepriesene Werk für Frieden – zeigt auch bereits Anzeichen der Auflösung. Deutschland und Frankreich missachten nach Belieben den EU-Stabilitätspakt, die Osterweiterung verzehrt die Ressourcen der EU und mit dem Türkei-Beitritt würde der endgültige Genickbruch für europäische Unionsallüren folgen. Das Bundesverfassungsgericht Deutschlands – ein EU-Mitglied – hat sich zudem kürzlich geweigert, ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes zu vollziehen und damit die nationale Souveränität betont.
Gerade die europäischen Staaten selbst agieren zutiefst machtorientiert: Frankreichs Aussenpolitik ist ein Musterbeispiel, wie man Aussenpolitik für Eigeninteressen ohne jede Moral betreibt. Der Stabilitätspakt ist erwähnt worden. Die neuen EU-Staaten schliessen sich aus monetären Gründen der EU an. Trotzdem redet Europa nach wie vor von Vereinigung, Kooperation, Multilateralismus etc. Wie heuchlerisch! Gegen aussen auf dem Prinzip Hoffnung beharren und mit dem Anspruch auf moralisches Bessersein Machtpolitik betreiben. Linke 68er Politik in ihrer ureigensten Verlogenheit!
Was hat die Schweiz daraus zu lernen: Die Schweiz wird im Juni eine Schicksalsfrage zu entscheiden haben. Es stellt sich die Frage, ob sich die souveräne Schweiz mit dem Schengen-Vertrag fremden Richtern, EU-Richtern, unterstellen will. Bereits reden der Bundesrat, vereint mit Linken und Medien, wieder von Multilateralismus, von Kooperation etc. Perfider noch: Stimme die Schweiz dem Schengener-Vertrag nicht zu, würde die EU vermehrt Druck auf die Schweiz ausüben. Staus an der Grenze seien zu befürchten, der Druck auf das Bankgeheimnis nehme zu etc.
Genau hier offenbart sich der fundamentale Denkfehler: Die Schweiz wird nicht weniger erpresst, wenn sie sich Europa anschliesst, sich dem Schengener-Kolonialvertrag unterwirft. Die EU – bzw. die europäischen Nationalstaaten – erpressen die Schweiz solange, bis es nichts mehr zu holen gibt; ewiger Friede hin oder her.
Die Angriffe auf das Bankkundengeheimnis sind auch nicht vorbei, obwohl man der EU entgegen gekommen ist und es im Dossier Betrugsbekämpfung im Bereich der indirekten Steuern preisgegeben hat. Die Angriffe auf das Bankgeheimnis werden erst ihr Ende finden, wenn es auf dem Altar des ewigen Friedens für die leeren Staatskassen Frankreichs und Deutschlands geopfert wurde.
Die Schweiz hat die entsprechenden Schlüsse zu ziehen und ebenfalls denjenigen Weg zu beschreiten, der unserem nationalen Interesse am besten dient. Nach dem Prinzip „Hoffnung“ auf ein Europa zu vertrauen, das der Schweiz den Asylmissbrauch eindämmt, die Sicherheit gewährleistet und das Bankgeheimnis wahrt, ist fatal. Ein Kolonialvertrag wie Schengen kann dem nationalen Interesse einer souveränen Schweiz nicht dienen. Dieses ist das Kriterium bei Schengen – kein anderes.