Es war das Jahr 1999 – noch bevor die neue europäische Gemeinschaftswährung überhaupt eingeführt worden war – und bereits prognostizierte der libertäre Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman das Ende des Euro: „Der Euro wird die erste schwere Wirtschaftskrise nicht überleben.“
Milton Friedman ist inzwischen verstorben. Doch die Stimmen unter den Ökonomen, wonach die Zeit des Euro abgelaufen ist, mehren sich: Der US-Ökonom Nouriel Roubini antwortete auf die Frage nach den Zukunftsaussichten des Euro: «Noch drei bis sechs Monate: Dann verlieren Italien und Spanien den Zugang zu den Kapitalmärkten.“ Roubinis Worte haben Gewicht; er sah die amerikanische Immobilienblase ebenso wie die Finanzkrise voraus. In die gleiche Kerbe schlägt der amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman: „Die bittere Wahrheit ist, dass es immer mehr danach aussieht, als wäre das Eurosystem dem Untergang geweiht.“ „Und die noch bitterere Wahrheit ist, dass Europa wahrscheinlich besser dran wäre, wenn der Kollaps eher früher als später kommt.“
Der Euro ist seit 10 Jahren als Buchgeld im Umlauf. Europa steckt derzeit in der von Friedman genannten ersten schweren Wirtschaftskrise; und die Anzeichen mehren sich, dass Friedman Recht hatte. Die Währungsunion taumelt von Krise zu Krise. Griechenland, Irland, Portugal und nun auch Spanien und Zypern stehen am Abgrund und haben bereits Hilfeleistungen beantragen müssen. Italien steht auf der Kippe. EU-Politiker entwerfen gigantische Rettungsschirme für ihre bankrotten Mitglieder, zuerst auf provisorischer Basis, danach als dauerhafte Institution mit einer unvorstellbaren Grösse von 700 Milliarden Euro. Das entsprechende Geld fehlt indes bis jetzt noch und bleibt fürs erste versprochen. Doch selbst der Rettungsschirm von 700 Milliarden dürfte nicht ausreichen, um all die kriselnden Staaten langfristig im Euro-Raum halten zu können. Erforderlich wären Summen, die niemand mehr bezahlen kann und will. Auch Frankreich und Deutschland nicht, die sonst selbst in eine Wirtschaftskrise gerieten. Die Europäische Zentralbank (EZB) andererseits hat elementare währungspolitische Grundregeln verletzt und begonnen, selbst Staatsanleihen der kriselnden Euro-Staaten zu kaufen. Die ordentlichen Mittel der Zentralbank wirken längst nicht mehr. Nicht einmal mehr mit der Senkung des Leitzinszinses zur Ankurbelung der Wirtschaft auf 0.75 Prozentpunkte – ein historischer Tiefstwert – konnte die EZB die Märkte positiv stimmen. Das Kursfeuerwerk blieb aus. Die Märkte fürchten, die EZB habe ihr Pulver längst verschossen.
Die Euro-Krise ist nicht etwa hauptsächlich ein Werk finsterer, anonymer Spekulanten. Sie ist im System des Euro und der EU selbst angelegt: Namentlich die Euro-Staaten Griechenland, Italien, Irland, Portugal, Spanien und Zypern lebten jahrelang über die Verhältnisse. Die europaweit einheitliche Finanzpolitik trotz völlig unterschiedlicher volkswirtschaftlicher Verhältnisse in den einzelnen Staaten bescherte den heutigen Krisenstaaten eine Boomphase ohne jede Nachhaltigkeit: Die Preise und Löhne stiegen, aber die Währungen wurden nicht mehr gleichzeitig abgewertet, so dass die Konkurrenzfähigkeit der heutigen Krisenstaaten laufend abnahm. Auch die Staatsausgaben wuchsen überproportional stark; mit Einbruch der Krise und dem damit einhergehenden Rückgang der Steuerreinnahmen standen die heutigen Krisenstaaten plötzlich vor einem Scherbenhaufen. Hinzu kommen die mangelhaften internationalen Kontrollmechanismen: Griechenland z.B. betrieb Bilanzkosmetik, um in die Eurozone aufgenommen werden zu können. Die Maastricht-Kritierien, welche ein unkontrolliertes Schuldenwachstum verhindern sollten, wurden von den heutigen Krisenstaaten ebenso wenig eingehalten wie von Deutschland und Frankreich.
Hauptgrund dafür, dass namentlich Griechenland nicht längst aus der Eurozone ausgeschlossen worden ist, dürften primär noch die bereits geschaffenen institutionellen und wirtschaftlichen Sachzwänge sein. Welch stabile Voraussetzungen für einen dauerhaften Widerstand des „Friedensprojekts Europa“! Die Krise des Euro wird dabei nicht auf die Währung beschränkt bleiben. Wie sagte schon der 1978 verstorbene französische Währungsexperte Jacques Rueff: „Europa entsteht durch die Währung oder gar nicht.“